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Das Gottesurteil
Ein Messias, der am Galgen endete, war für die Zeitgenossen Jesu kein Messias. Ein angeblicher Sohn Gottes, den der oberste jüdische Gerichtshof als Verbrecher zum Tode verurteilt hatte, und das im Namen Gottes, war erledigt. Wäre er wirklich Gottes Sohn und Liebling gewesen, dann hätte Gott eingegriffen. Er hätte ihn nicht schmählich am Kreuzesgalgen enden lassen. Denn Gott ist gerecht, er beschützt seine Frommen. Das war also die große Frage: Auf welcher Seite steht Gott? Steht er auf der Seite Jesu? Dafür schien nichts zu sprechen. Oder steht er auf der Seite der Gegner Jesu, auf der Seite der religiösen Autorität? Dafür sprach alles. Nun, damit könnten wir die Akten über Jesus schließen, und sie wären auch längst geschlossen, wenn da nicht etwas geschehen wäre. Jedenfalls behaupteten seine Jünger, dass es geschehen wäre: Der Gott Israels hat doch eingegriffen. Spät zwar, erst als Jesus schon tot war. Der Gott, den er seinen Vater nannte, er hat ihn nicht vor dem Tode errettet, das ist wahr. Aber er hat ihn aus dem Tode errettet. Er hat ihn von den Toten auferweckt.
Wie ein weggeworfener Baustein Gott, der so lange nicht zu handeln schien, er hat sein Machtwort
gesprochen und gezeigt, auf welcher Seite er steht: auf der Seite dieses
verurteilten Verbrechers, dieses (wie es schien) von Gott und den
Menschen Verlassenen. Der Gott Israels hat gesprochen und hat sich zu
diesem Gehenkten bekannt - und nicht zu den Priestern und Oberpriestern,
die im Namen Gottes Recht sprachen. In den Psalmen stand es, lange bevor Jesus lebte, schon geschrieben: "Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden. Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder" (Psalm 118,22 f.). Die Auferstehung war das Gottesurteil in dem Prozess Jesu. Ein Gottesurteil: der als Lügner und Betrüger verurteilte Jesus wurde dadurch rehabilitiert. Sein Anspruch, der Messias und Sohn Gottes zu sein, war doch keine Anmaßung und Lüge. Er wurde von Gott bestätigt.
Warum ich nicht "Auferstehung" sage Sie sehen: die Auferweckung Jesu ist der Angelpunkt für die
Bewertung Jesu, an ihr hängt alles. Und noch ein Letztes: Ich meine, wie Gott bei Jesus gehandelt hat, so handelt er auch bei uns. Er hat Jesus nicht vor einem tragischen frühen Tod errettet, obwohl er sein geliebter Sohn war. Wie sollten denn wir eine Garantie haben, dass er uns vor jedem Unglück und Schicksalsschlag bewahrt, weil wir glauben, bei ihm eine gute Nummer zu haben? Gottes Liebe zeigt sich bei uns wie bei Jesus nicht darin, dass er uns unbedingt vor dem Tod errettet, sondern dass er uns aus dem Tod errettet. Ich meine, das haben die Christen noch viel zu wenig bedacht. Ihr Karl Neumann |