Karl Neumann: Glaubenskurs Online16. Glaubensbrief, März 2004:

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Ist es auch wirklich wahr?

Ich habe schöne Dinge über Jesus erzählt in den letzten Briefen - aber sind sie auch wirklich wahr? In der Bibel stehen schöne Geschichten über Jesus - aber sind sie auch wirklich so passiert? Kann man das überhaupt glauben, was in der Bibel steht?

Es ist richtig und wichtig, dass Sie sich solche Fragen stellen; sie sind nicht verboten. Wenn Ihr Glaube solche Fragen nicht aushält, dann ist er ganz schön schwach auf der Brust.

Ich habe mir exakt diese Fragen selber gestellt, das weiß ich noch genau. Ich war damals knapp 16 Jahre und war, wie ich im 2. Brief erzählte, in einer Krise. Es war die beste Krise meines Lebens, denn ich habe damals meinen Glauben neu entdeckt.

Wie ich nach Antworten suchte

Was habe ich mir geantwortet auf die Fragen?

Grafik zum 16. Glaubensbrief: die BIBEL - die Bibel ist das wohl besterforschte Buch der Welt

das Buch der Bücher: - die BIBEL

Zunächst einmal: Ich habe mit Freunden gesprochen, ich habe meine Lehrer gefragt, aber mit ihren Antworten war ich nicht zufrieden. Dann habe ich Bücher gelesen. Damals waren es noch einfache, aber später, als ich dann Theologie studierte, waren es wissenschaftliche Bücher, die fast noch mehr Fragen aufwarfen als sie beantworteten. Ich habe die verschiedenen Standpunkte kennengelernt, auch die Argumente der "Gegenseite".

Auf jeden Fall wurde mir eines klar: Die Bibel ist das besterforschte Buch der alten Zeit, wahrscheinlich das besterforschte Buch überhaupt. Generationen von Wissenschaftlern haben sozusagen jeden Buchstaben umgedreht. Sie haben die Bibel genauso kritisch unter die Lupe genommen wie jedes andere Buch. Und in den Grundlinien sind sie sich einig:

Erst erzählte man Jesusgeschichten

Die Geschichten über Jesus samt seinen Worten wurden zuerst mündlich überliefert, mehrere Jahrzehnte lang. Erst dann wurden sie aufgeschrieben.

In den Jahrzehnten der mündlichen Überlieferung wurden die Taten Jesu und mehr noch seine Worte mit erstaunlicher Treue überliefert, aber natürlich nicht so wie ein Stenogramm. Dies auch deshalb nicht, weil die Leute, die das taten, keine Geschichtswissenschaftler waren, sondern Jünger Jesu, Prediger. Sie haben engagiert geredet, engagiert geschrieben, aus ihrem Glauben heraus.

Sie mussten die Worte Jesu ja auch übersetzen, aus dem Aramäischen, das Jesus sprach, ins Griechische. (Alle Schriften des Neuen Testaments sind in Griechisch geschrieben.) Und übersetzen nicht nur von einer Sprache in die andere, sondern auch von einer Kultur in die andere. Aus der jüdischen Welt und Denkweise in die griechische, die sehr verschieden war. Und aus der Situation Jesu in die Situation der Urkirche hinein.

Das taten sie, und dabei fühlten sie sich frei, bestimmte Jesusworte und Geschichten ein wenig abzuwandeln, dass die griechischen und heidenchristlichen Zuhörer sie besser verstehen konnten. Aber nicht nur das. Sie waren überzeugt, dass der Auferstandene auch jetzt noch lebendig ist und jetzt noch zu seiner Gemeinde sprechen kann. So wandelten sie manche Jesusworte ein wenig ab und aktualisierten sie auf die Situation ihrer Gemeinde hin.

Sie haben diesen Jesus auch schon in seinem irdischen Leben durch die Brille von Ostern gesehen.

Grafik zum 16. Glaubensbrief: kunstvolle Seite aus der GUTENBERG-BIBEL

kunstvolle Seite aus der Gutenberg-Bibel

Waren die Evangelisten Augenzeugen?

Das Evangelium, das vermutlich zuerst entstand, ist das Markusevangelium, um das Jahr 70. Matthäus und Lukas haben etwa ein bis zwei Jahrzehnte später geschrieben, Johannes noch später. Dabei haben sie diese mündlich weitergegebenen Geschichten benutzt, die man damals z.T. schon schriftlich gesammelt hatte. Es ist also nicht so, wie man sich das früher vorstellte: Da setzt sich etwa der hl. Matthäus hin und schreibt all das auf, was er als Augenzeuge mit Jesus erlebt hatte.

Nein, es war so: der Mann, der das Matthäusevangelium schrieb, benutzte ausgiebig das um 10 Jahre ältere Markusevangelium, dazu noch eine Quelle, in der vor allem Jesusworte standen. Er kann also kaum ein Augenzeuge gewesen sein, denn wozu sollte er dann von einem anderen abschreiben? Wenn kein Augenzeuge, war der Verfasser wohl auch nicht der Apostel Matthäus, höchstens einer seiner Schüler.

Das kann einen schon schockieren, wenn man das zum ersten Mal hört. Ist das Matthäusevangelium gar nicht von Matthäus? Waren die Evangelisten keine Augenzeugen? Nun, die Verfasser standen ursprünglich gar nicht im Evangelium drin, wir kennen sie aus der alten Überlieferung. Und es kommt ja nicht auf die Verfasser an, sondern auf den Inhalt.

Wie man das Urgestein herausfindet

Grafik zum 16.Glaubensbrief: eine SCHRIFTROLLE

eine Schriftrolle

Und was den Inhalt angeht, haben die Forscher Wege gefunden, um das Urgestein der Jesusberichte herauszufinden. Es gibt Ausdrücke in den Evangelien, die eindeutig in die jüdische Umwelt Jesu weisen - ja, es gibt einige aramäische Wörter, die man so stehen ließ, wie Jesus sie gebraucht hat. Bei einigen Gleichnissen kann man noch gut die Deutung der Urkirche und den ursprünglichen Sinn im Munde Jesu unterscheiden. Auf diese und viele andere Weise kann man das Urgestein herausfinden, wobei manches Einzelne über eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht hinauskommt.

Doch die Grundlinien des Wirkens Jesu können wir auf diese Weise sicher erkennen: Er wuchs in Nazareth auf, wirkte vor allem in Galiläa, verkündete das Reich Gottes, wählte Jünger aus, heilte viele Kranke, suchte den Kontakt zu den Sündern und Ausgestoßenen, zog sich die Feindschaft der "Frommen und Mächtigen" zu, die ihn schließlich ans Kreuz brachte.

Das Kreuz war das Ende des irdischen Lebens Jesu. Es ist so wichtig, dass es zu dem Symbol des Christentums geworden ist. Über den Skandal des Kreuzes schreibe ich Ihnen das nächste Mal.

Bis dahin
Ihr Karl Neumann