Karl Neumann: Glaubenskurs OnlineNeunter Brief, August 2003:

 

God loves you

Es war vor einigen Jahren, da sprach Mutter Teresa in der Aula unserer Schule in Japan.Mutter Theresa wird im Oktober 2003 selig gesprochen...!! Hätte man ihre Worte aufgeschrieben, es wäre nichts Besonderes gewesen. Sie sprach einfach, ja man könnte sagen primitiv. Allerdings mit einer Eindringlichkeit und Überzeugungskraft, die eine ganz starke Persönlichkeit verriet. Nur ein Wort ist mir noch in Erinnerung. "God loves you", sagte sie, "Gott liebt dich".

"Ach, fromme Rhetorik!", werden Sie vielleicht denken. Ich dachte genauso. Und doch, wenn Mutter Teresa es sagte, mit der Energie, die sie ausstrahlt, und dabei jeden Einzelnen eindringlich anzuschauen schien, spürte ich es so, als ab Gott selbst zu mir gesagt hätte: "Ich liebe dich".

Ich habe dich bei deinem Namen gerufen

Ich kenne eine Dame, die kaum mit der Kirche Kontakt hat. Aber sie hat irgendwo einen Spruch aus der Bibel gelesen, der hat sie so getroffen, dass sie ihn zu ihrem Trauerspruch bestimmt hat. In dem Spruch sagt Gott: "Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein" (Jesaja 43,1). "Wie tröstlich zu wissen", sagt sie, "dass ich nicht verloren dastehe, auch wenn keiner mich besuchen wird in meinem Alter. Dass einer da ist, der mich bei meinem Namen ruft".

"Das klingt zwar wunderschön", sagen Sie vielleicht, "aber ist es nicht zu schön, um wahr zu sein?" Wie kann ein Gott, selbst wenn es ihn gibt, all die Milliarden Menschen auf dieser Erde persönlich kennen? Wie kann Mutter Teresa zu jedem Einzelnen sagen: "Gott liebt dich, dich ganz persönlich"? Kann das mehr sein als eine holde Täuschung?

Kennt Gott mich persönlich?

Eine schwierige Frage. Doch ich meine, wir sollten von Gott nicht zu klein denken. ein 'Bild' des Universums...Wenn es ihn gibt, ist er eben derjenige, der die unvorstellbare Weite des Universums mit seinen zahllosen Galaxien geschaffen hat. Der also Fähigkeiten haben muss, die völlig über das hinausgehen, was wir uns vorstellen können. Er, der die Milliarden Sterne kennt, warum sollte er zu klein sein, um die Milliarden Menschen persönlich zu kennen?

Es ist die Versuchung (nicht nur) der Naturwissenschaftler, weil sie Gott in den Wundern des Kosmos erkennen, wie Einstein zu sagen: "Ich glaube an (einen) Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart. Nicht an einen Gott, der sich mit dem Schicksal und den Handlungen der Menschen abgibt". Als ob Gott zu groß wäre, um sich mit etwas so Kleinem wie dem Schicksal der Menschen "abzugeben". Aber das ist, wie ich schon sagte, nicht zu groß von Gott gedacht, sondern zu klein.

Aber auch aus einem anderen Grund scheint es mir nicht zutreffend. Weil es nämlich noch einen zweiten Ort gibt, wo ich Gott entdecke: in meinem Leben; in dem seltsam vertrackten Wesen, das sich Mensch nennt. Und hier zeigt sich Gott nicht als der ferne Baumeister der Welt, sondern als der Partner, auf den mein Leben bezogen ist.

Das wird also das Thema des nächsten Briefes sein.
Also bis dann
Ihr Karl Neumann

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