56. Glaubensbrief - Januar 2011   PDF-Zeichen als PDF-Datei (169 kB)

Viel Glück im Neuen Jahr!

Neujahr steht vor der Tür. Bald werden die Feuerwerkskörper krachen. Und die Leute werden sich zurufen: „Viel Glück im Neuen Jahr!“

Das Neue Jahr wird mit ordentlich Feuerwerk begrüßt

Das wünsche ich Euch natürlich auch. Aber während ich das schreibe, zögere ich ein wenig. Was heißt das eigentlich: Viel Glück im Neuen Jahr?

„Glück“ kann zwei verschiedene Dinge meinen, und im Englischen gibt es dafür auch zwei verschiedene Wörter. Das erste heißt „good luck“. Wenn wir uns das zu Neujahr wünschen, meinen wir: Ein neues Jahr liegt vor uns. Was wird es uns bringen? Wir wissen es nicht, denn die Zukunft ist unbekannt. Und da wünschen wir uns gegenseitig, dass es uns Glück und kein Unglück bringe. Dass wir nicht krank werden oder gar sterben. Dass wir keinen Unfall bauen. Dass die Beziehung zu unserem Partner (bzw. Partnerin) nicht in die Brüche geht. All das könnte ja passieren. Wer garantiert uns, dass es nicht passiert? Es gibt eine Macht, die das Schicksal bestimmt, und an die müssten wir uns wenden, um im Neuen Jahr Glück zu haben. Das tun interessanterweise die Japaner.

Um Mitternacht ertönt der Gong

Dort knallen am Silvesterabend nicht die Sektkorken. Der letzte Abend des Jahres wird ruhig verbracht, bis um Mitternacht der gewaltige Gong des buddhistischen Tempels das Neue Jahr anzeigt. Er ertönt genau 108 mal, acht mal im alten und hundertmal im neuen Jahr. So sollen nach buddhistischem Glauben die Sünden des alten Jahres getilgt werden. Die Japaner lauschen andächtig den 108 Schlägen der Gong-Glocke, bis sie verhallt sind. Dann geht es (meist noch in der Nacht, oder am kommenden Tag) zum Shinto-Heiligtum. Hier wird Geld geopfert und mit gefalteten Händen gebetet, um Glück und Bewahrung vor Unglück im Neuen Jahr.

Könnten wir uns da nicht von den nichtchristlichen Japanern inspirieren lassen? Warum sollten wir Christen nicht von anderen Religionen lernen? Ich bin jedes Neujahr mitgegangen zum Shinto-Heiligtum und habe dort zu unserem Gott gebetet. Wir sollten jedenfalls wissen: der einzige, der uns „viel Glück im Neuen Jahr“ schenken kann, ist der lebendige Gott.

Der neue Film von Sofia Coppola

Japan - Menschen auf dem Weg zum Heiligtum

Doch das Wort „Glück“ meint noch etwas anderes, nämlich das, was im Englischen „happiness“ heißt. Und wenn wir uns viel Glück im Neuen Jahr wünschen, dann wünschen wir uns nicht nur, dass wir dann Glück haben, sondern auch, dass wir glücklich sind. Das ist doch das Entscheidende: dass Du mit Deinem Leben zufrieden bist. Es gibt Leute, die haben alles, denen gelingt alles, sie haben Glück (good luck). Und doch sind sie vielleicht todunglücklich. Wie jener Schauspieler in Sofia Coppolas neuestem Film „Nowhere“. Er ist ein reicher Single in Hollywood, der sich alles leisten kann, auch schnelle amouröse Abenteuer, wie er sie liebt. Doch dass er mitten in diesem Luxus überhaupt nicht glücklich ist, merkt er, als seine elfjährige Tochter zu ihm kommt und auf ihn angewiesen ist. Sein Leben bekommt einen Sinn: für sie zu sorgen, und er merkt, dass es vorher keinen Sinn hatte, dass er alles Glück der Welt hatte, aber nicht glücklich war.

Ein Beispiel dafür, wie man mitten im Glück sehr unglücklich sein kann. Andererseits kann man mitten im Unglück sehr glücklich sein.

Er dankte Gott für seine Blindheit

Wieder fällt mir dabei ein Film ein. Kennt Ihr „Das große Schweigen“? Es ist ein dokumentarischer Film über ein Kloster der Kartäuser in Frankreich. Die Kartäuser sind Schweigemönche, und so schweigt auch der Film. Es wird tatsächlich in dem langen Film praktisch nichts gesprochen. Man erschrickt fast, als nach mehr als zwei Stunden Schweigen plötzlich jemand zu sprechen beginnt: ein blinder Mönch spricht das Publikum an. Der Mönch ist schon seit langen Jahren blind, aber er strahlt tiefen inneren Frieden aus. Er sagt etwa folgendes: „Ich danke Gott für meine Blindheit. Sie hat mich so vieles sehen gelehrt, was ich mit gesunden Augen nie gesehen und erkannt hätte.“

Ein Beispiel dafür, dass man glücklich sein kann, auch wenn man im Leben viel Unglück zu tragen hat. So wie Sofia Coppolas Film anschaulich macht, wie hohl und langweilig ein Leben mitten in Glück und Luxus sein kann.

So ist mein Neujahrswunsch für Euch: Ganz viel Glück im Neuen Jahr. Das heißt: eine Menge good luck, aber vor allem: ein Herz voll happiness!

Euer
Karl Neumann