53. Glaubensbrief - Oktober 2010   PDF-Zeichen als PDF-Datei (143 kB)

„Verbrennt den Koran!“
   

Der heilige Koran und eine Gebetsschnur
Foto: © www.stundedesislam.de / pixelio.de

So schnell der Pfarrer jener Mini-Gemeinde in Florida mit seiner Ankündigung, den Koran zu verbrennen, zur Weltberühmtheit aufstieg, so schnell ist er auch wieder in der Versenkung verschwunden. Gott sei Dank hat Gott persönlich ihm befohlen, es am Ende doch nicht zu tun. Was mir nur etwas sauer aufstößt: in all diesen beschwörenden Appellen, den Koran doch um Gottes willen nicht zu verbrennen, lag weniger edle Überzeugung und Toleranz. Sie waren in erster Linie diktiert von der nackten Angst vor der Reaktion in der islamischen Welt. General Petraeus fürchtete um seine Truppen, Präsident Obama um seine amerikanischen Landsleute. Und das mit gutem Grund. Eigentlich erschreckend, wie sehr die Islamisten heute schon die gesamte westliche Welt in Angst und Schrecken halten.

Doch von diesem Grund der Angst vor Terror abgesehen: das heilige Buch einer Religion zu verbrennen, ist dem heutigen Geist der Toleranz radikal zuwider. Es ist auch dem Geist Jesu Christi zuwider. Gewiss, wir brauchen nicht alles gutzuheißen, was im Koran steht. Aber wir müssen diese Auseinandersetzung mit Worten und Argumenten führen und nicht mit Bücherverbrennungen.

Teufelswerk?

Diese kleine Gemeinde und ihr Pfarrer hatten wohl noch die alte Vorstellung, dass alle nichtchristlichen Religionen ein Werk des Teufels seien. Jene Vorstellung war in vergangenen Jahrhunderten sowohl in der katholischen Kirche wie in den protestantischen Kirchen weit verbreitet. Manche biblischen Stellen glaubte man in diesem Sinn interpretieren zu sollen. Doch durch das Aufkommen der Religionswissenschaft sehen wir heute, wie viel Menschenwerk sowohl in der christlichen wie in den nichtchristlichen Religionen enthalten ist. Sodass die christliche Religion nicht nur als reines Gotteswerk und die nichtchristlichen keineswegs als dämonisches Werk zu betrachten sind. Dabei bleibt die christliche Religion natürlich mehr als reines Menschenwerk, sondern sie ist (um es in Analogie zum Wort der Bibel zu sagen) Gotteswerk im Menschenwerk.

Hochachtung gegenüber dem Islam

Die katholische Kirche hat auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 65) eine Neubewertung der nichtchristlichen Religionen vorgenommen. Sie sieht die Religionen als Suche nach dem „unbekannten Gott“ (Apostelgeschichte 17,23), als Strahl jenes Lichtes, das jeden Menschen erleuchtet (Johannes 1,9).

Moslem beim Gebet

Über den Islam sagt das Konzil:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den … barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria…

Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für … Gerechtigkeit…“

Dialog heißt nicht Verwischung

Also kein Teufelswerk, kein Verbrennen des Koran; nicht nur bürgerliche Toleranz wird verlangt, sondern gegenseitiges Verstehen, ja Zusammenarbeit.
Auf der anderen Seite heißt das nicht, dass wir im Bemühen um gegenseitiges Verstehen unsere Überzeugung aufgeben sollten. Als ob der Dialog der Religionen nur dann gelänge, wenn jeder seine Überzeugung in den großen Topf wirft und alles gründlich verrührt wird. Etwa so, wie sich einige Vertreter der „pluralistischen Religionstheologie“ das vorstellen: man sucht im Dialog nach dem gemeinsamen Nenner, welcher Gott heiße. Das Übrige in jeder Religion ist dann bloße kulturelle Ausprägung. Lasst die Muslime ihren Mohammed verehren, die Buddhisten ihren Gautama Buddha, die Christen ihren Jesus von Nazareth: die Hauptsache ist der gemeinsame Nenner und Kern aller Religion: der Gottesglaube.

Doch solches ist kein idealer Religionsdialog, es ist ein Ausverkauf des christlichen Glaubens. Und im Übrigen auch religionswissenschaftlich nicht korrekt: den Gottesglauben gibt es längst nicht in allen Religionen, und selbst, wo es ihn gibt, ist er nicht unbedingt das Zentrum. Und Jesus Christus ist für den christlichen Glauben mehr als eine kulturelle Ausprägung. Er ist kein Avatar, keine Inkarnation der Gottheit im hinduistischen Sinn, wie es deren viele gibt. Er gehört in das Geheimnis des einen Gottes mit hinein, als Sohn Gottes, als Wort Gottes. Er ist nicht nur für die Christen maßgebend, sondern „in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apostelgeschichte 4,12).

Einer der großen Männer des interreligiösen Dialogs sagte mir einmal: „Unsere Dialogpartner möchten gar nicht, dass wir unsere christliche Überzeugung ausschalten oder zur Hypothese herabstufen. Sie wollen mit Menschen diskutieren, die von ihrer Sache überzeugt sind. Das andere wäre für sie ja uninteressant“.

Den Koran verbrennen? Keineswegs. Im Gegenteil, man sollte ihn lesen. Kritisch lesen.
Dass Islam und Christentum friedlich miteinander leben können, das wünsche ich uns allen.

Euer
Karl Neumann