45. Glaubensbrief - Februar 2010   PDF-Zeichen als PDF-Datei (155 kB)

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei!“
   

Fröhliche Menschen im bunten Treiben.

Der flämische Maler Pieter Brueghel d. Ä. hat ein Bild gemalt, das heißt „Der Kampf des Karnevals mit der Fastenzeit“. Da sieht man links den dicken Herrn Karneval auf einem Weinfass reiten, in der Hand einen Spieß, der aber nur ein Bratspieß ist, mit einem aufgespießten fetten Hähnchen. Er hat ein großes Gefolge von ausgelassenen Zechern und Gecken, die seinen Karren mit dem Weinfass anschieben.

Von der anderen Seite kommt ihm die Fastenzeit entgegen: eine hagere mürrische alte Juffer. Auch sie hat eine Waffe in der Hand, die sie gegen den Karneval richtet. Es ist ein Brotschieber, auf dem ein trockenes Fastenbrot liegt. Ein Mönch und eine Nonne ziehen ihren Karren, und auch sie hat ein entsprechendes Gefolge.

Die griesgrämige Jungfer Fastenzeit

Wenn ich das Bild anschaue, dann muss ich gestehen: Der gut genährte Herr Karneval mit den fröhlichen roten Backen ist mir sympathischer als die fromme Fastenzeit, jene säuerliche alte Juffer, die vom Fleisch gefallen ist.

Doch dieses Bild ist ja eine Karikatur. Die Fastenzeit ist keine freudlose alte Jungfer. Jesus sagt ja: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht... Wenn du fastest, dann salbe dein Haar und wasche dein Gesicht...“ (Matthäus 6,16f). Der Karneval hat die Freude nicht gepachtet. Den Christen wird gesagt: „Freut euch zu jeder Zeit“ (Philipperbrief 4,4): in der Fastenzeit genauso wie im Karneval oder in der Osterzeit. Der volkstümliche Name „Fastenzeit“ ist nicht sehr glücklich, weil er zu einseitig das Fasten in den Vordergrund stellt. Die Liturgie spricht dagegen von der „österlichen Bußzeit“, oder der „Quadragesima“: den heiligen vierzig Tagen der Vorbereitung auf Ostern.

Fasten ist mehr als eine Wellnesskur

Das Eingangstor zur Fastenzeit ist der Aschermittwoch. Ich habe vor einigen Jahren in einer Pfarrei in München gearbeitet und gestaunt, wie viel Leute sich in die Kirche drängten, um das Aschenkreuz zu empfangen. Es waren mehr als sonst an Sonntagen. Nicht nur das Aschenkreuz ist bei so manchem begehrt, von dem man es nicht vermutet hätte, auch das Fasten ist wieder in Mode gekommen, und zwar gerade in der Fastenzeit. Man sagt, gerade im Frühjahr brauche der Körper eine Fastenkur, um sich zu entschlacken. Und man bewundert die Weisheit der alten Klöster mit ihrer Fastenpraxis, ihren Kräutergärten, ihrem geregelten, maßvollen Lebensrhythmus.

Diese neue Offenheit für alte christliche Traditionen ist ein gutes Zeichen. Aber die Fastenzeit (oder österliche Bußzeit) ist mehr als eine geschickte Wellnesstherapie. Was ist sie?

Das zentrale Stichwort ist: Bekehrung.
Wenn der Geistliche das Aschenkreuz auf die Stirne zeichnet, spricht er dabei das Wort Jesu: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Markus 1,15).
Fastenzeit heißt also nicht: düstere Askese. Es heißt: Bekehrung des Herzens; sich glaubend öffnen für die Frohe Botschaft.

Bekehrung des Herzens – kann das die Aufgabe der Fastenzeit sein? Ist das nicht eine Nummer zu groß? Wenn ich Bekehrung höre, dann denke ich an den Apostel Paulus, der aus einem fanatischen Christenverfolger ein glühender Christusjünger wurde. Also eine Wendung um 180 Grad, und das sozusagen in einem Augenblick, als ihm vor Damaskus Christus erschien. Ich denke an Petrus, der seinen Meister verleugnete, aber dann in Tränen der Reue ausbrach, als der gefesselte Jesus ihn anschaute. Ich denke an Augustinus, der nach langen Irrwegen endlich zum Glauben fand und sich taufen ließ. Ich denke an die Ordensgründer Franz von Assisi und Ignatius von Loyola, die beide Bekehrte waren.

Ich bin nicht unter die Schweine geraten

Die Reinheit und Einfachheit
neu schätzen lernen.

Meine Frage ist nur: Kann ich mich wie sie bekehren? Ich meine jetzt nicht, dass diese hohen Beispiele für uns eine Nummer zu groß sind.
Sondern: kann ich und muss ich eine solche radikale Lebenswende vollziehen? Ich habe keine Christen verfolgt wie Paulus. Ich bin nicht von zuhause weggelaufen wie der Verlorene Sohn (Lukas 15,11-32). Ich habe nicht das väterliche Erbe mit Dirnen verprasst, bin nicht unter die Schweine geraten.
Folglich kann ich auch nicht die Freude der großen Heimkehr, der großen Bekehrung erleben. Ich fürchte, ich bin eher wie der ältere Bruder des Verlorenen Sohnes, der immer hübsch daheim geblieben ist. Doch für ihn wird kein Festmahl bereitet. Was Wunder, dass er neidisch wird und sich bei seinem Vater beschwert. „Dein Sohn“ nennt er seinen Bruder und will ihn nicht mehr als Bruder anerkennen.

Das ist schlimm, aber der ältere Bruder sieht das nicht ein. Er fühlt sich im Recht und verachtet die anderen. Wann wird er sich bekehren? Wann wird er seine verborgene Schuld einsehen? Ich würde gern das Gleichnis vom Verlorenen Sohn fortschreiben und von der Bekehrung des älteren Bruders berichten. Wie wäre das?

Im 34. Glaubensbrief habe ich von der verborgenen Schuld gesprochen. Sie kann schwerer wiegen als die offensichtlichen Verstöße gegen die zehn Gebote. Aber sie ist schwerer zu erkennen, denn sie liegt tief im Herzen verborgen als falsche Grundhaltung. Sie ist so mit dem Menschen verwachsen, dass man sie nicht sieht, weil man zum Sehen Abstand braucht.

Gewiss ist diese verborgene Schuld bei jedem Menschen verschieden, und ich will keinem eine Schuld einsuggerieren, die er nicht hat. Aber Tatsache ist, dass wir alle Bekehrung nötig haben. Denn allen sagt Jesus: „Bekehrt euch und glaubt der Frohen Botschaft“ (Markus 1,15), und allen sagt dies der Priester bei der Erteilung des Aschenkreuzes.

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei“? Nein, am Aschermittwoch fängt es erst an.
Euch allen einen fröhlichen Karneval und eine gesegnete Fastenzeit!

Euer Karl Neumann