33.
Glaubensbrief
- Februar 2009
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Jesus in schlechter
Gesellschaft Zwei Menschentypen
Ich habe den Eindruck, dass es zwei Sorten von Menschen gibt. Die einen sind religiös. Sie sind von ihrem Glauben überzeugt. In ihrem Glauben haben sie einen sicheren Halt gefunden, und daran halten sie fest, komme was wolle. Diskutieren kannst du mit ihnen nicht, denn sie haben ihre feste Überzeugung, die lassen sie nicht in Frage stellen. Ihre Glaubensfestigkeit geht nicht selten bis zum Fanatismus. Und es gibt die andere Sorte von Menschen. Sie sind in vielem das Gegenteil: offen, tolerant, nicht fanatisch. Sie sind Menschen auf der Suche, die ihre Überzeugung noch nicht gefunden haben. Sie sind zwar getauft, aber ihr Eifer für die Religion hält sich in Grenzen, man könnte sie lau nennen. Welcher der beiden Menschentypen ist nun der bessere? Ich weiß es nicht. Der beste Typ wäre eigentlich der, welcher die Tiefe der gläubigen Überzeugung (Typ 1) und die Weite des Herzens (Typ 2) miteinander vereint. Dessen Toleranz und Offenheit gerade aus seiner festen Glaubensüberzeugung stammt und nicht aus einem Mangel an Überzeugung. Jesus vereint die Tiefe und die Weite Gibt es das? Ich glaube, dieser Spagat gelingt selten, aber es gibt
ihn. „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (Adolf Holl) Der arme Zöllner, den der Pharisäer in seinem „frommen“ Gebet so von Herzen verachtete, stand bescheiden hinten im Tempel und betete: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18, 9-14). Warum galten gerade die Zöllner als Sünder? Diese Leute waren zwar reich, aber sie trieben für die verhasste Besatzungsmacht der Römer die Steuern ein, sie waren Kollaborateure. Dazu waren die Römer Heiden: Eine besondere Schmach für die Kinder des „auserwählten Volkes“, an die Heiden Steuern zahlen zu müssen. Die Pharisäer mieden folglich den Umgang mit diesen und anderen „Sündern“, weil sie sich für besser hielten. Der Name „Pharisäer“ heißt übersetzt „die Abgesonderten“. Nicht die Gesunden brauchen den Arzt
Jesus dagegen sonderte sich nicht ab. Er hatte ein weites Herz. Als man ihn kritisierte: „Wie kann er zusammen mit Zöllnern und Sündern essen?“, antwortete er mit einem genialen Vergleich: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Markus 2,16 f). Jesus will sagen: Die ihr Sünder nennt, sind krank. Seht ihr das nicht? Sie brauchen Hilfe, sie brauchen sozusagen einen Arzt. Ihr geht zu denen, die euch gleich sind, die den gleichen Stallgeruch haben. Das ist natürlich einfacher, da kann man sich im gemeinsamen Mief wohlfühlen. Aber denkt einmal nicht daran, wo ihr euch wohlfühlt, sondern wer eure Hilfe braucht. Denkt einmal nicht an euch selbst, sondern an die anderen. Für Jesus gab es noch einen anderen Grund, mit den Sündern Tischgemeinschaft zu halten. Er hatte eine Sendung. Das Reich Gottes würde bald kommen, und dahin lud er im Namen Gottes die Menschen ein. Er verkündete die frohe Botschaft: Gott lädt auch euch Sünder ein in sein Reich. Keiner ist ausgeschlossen, keiner ist zu schmutzig oder zu schlecht, wenn er nur offen ist für die Einladung, wenn er bereit ist, der frohen Botschaft zu glauben. - Auch heute! Wo folgt heute einer diesem Jesus? Wo folgt heute einer diesem Jesus, der ganz für seinen Vater lebt, der halbe Nächte betet, vierzig Tage fastet, und doch nicht streng ist gegen die, welche anders leben? Der sich nicht zu den „Frommen“ hält, sondern die Mauern und Zäune überschreitet, der weit und offen ist wie das Herz Gottes? Wer bringt diesen Spagat fertig? Es sind wenige. Mir fällt hier die Brüdergemeinschaft von Taizé ein, und besonders ihr Gründer, Frère Roger. Dort habe ich die Tiefe des Glaubens und zugleich die Weite des Herzens erfahren. Leider scheinen mir viele der neuen katholischen geistlichen Gemeinschaften die neue Stoßkraft mit einer gewissen Enge und Strenge zu bezahlen. Das ist sehr menschlich. Aber Jesus hat es anders gemacht. Im Rheinland, wo ich wohne, steht der Februar ganz im Zeichen des Karnevals. So wünsche ich euch allen eine frohe Zeit – und nicht vergessen: der Aschermittwoch kommt bestimmt! Euer |