16. Glaubensbrief - September 2007   PDF-Zeichen als PDF-Datei (62 kB)

Herr, lehre uns beten

Ich tue es selten, aber heute fange ich gleich mit einem Zitat aus der Bibel an:
„Eines Tages, als Jesus sein Gebet beendet hatte, baten ihn seine Jünger: ‚Herr, sag uns doch, wie wir richtig beten sollen. Auch Johannes hat seine Jünger beten gelehrt’“ (Lukas 11,1).
Die Jünger hatten also Jesus beobachtet, wie er betete. Und das beeindruckte sie so, dass sie spontan dachten: „So möchte ich auch beten können!“.

Jesus betet


Auf dem Berg, nahe bei Gott

Jesus suchte immer wieder einsame Orte auf, um zu beten: „In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon (Petrus) und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: ‚Alle suchen dich’“ (Markus 1,35-37). Lange hat Jesus gebetet, manchmal ganze Nächte hindurch (vgl. Lukas 6,12). Am liebsten an einsamen Orten, z.B. auf Bergen (ebd.). Ja, auch Jesus brauchte eine Atmosphäre, um zu beten. Ich stelle mir vor: Wenn er nachts allein auf dem Berg war, spürte er die Angelegenheiten, die die Menschen so wichtig nehmen, klein und tief unter sich; erblickte er über sich den Sternenhimmel und spürte die Nähe seines himmlischern Vaters; „hörte“ er die Stille, die ihn von allen Seiten umgab – und konnte in diesem Schweigen der Nacht stundenlang mit seinem Vater Zwiesprache halten. Im Gebet konnte es ihm klar werden, was der Vater von ihm erwartete. Bis zu jener Nacht im Garten Getsemani, wo er betete: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch (des Leidens) an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Matthäus 26,39).

Hilfe, ich kann nicht beten!

Seine Jünger spürten: Von einem solchen Gebet sind wir meilenweit entfernt. Daher ihre Bitte: „Herr, sag uns doch, wie wir richtig beten sollen“.
Geht es dir anders? Ich glaube, auch du weißt oft genug nicht, wie du beten sollst. Du hast das Gefühl: Ich kann nicht beten. Mein Gebet ist wie ein halbvergessenes Verslein aus Kindertagen. Ich kann es vielleicht noch irgendwie hersagen, aber es sagt mir nichts mehr. Wenn ein persönliches Gebet über meine Lippen kommt, dann ist es ein Anbetteln in großer Not: Lieber Gott, so hilf mir doch! Warum hilfst du denn nicht?!

Was kannst du tun? Wie kannst du beten lernen? Ganz einfach: sag es doch Jesus. Sprich zu ihm, wie die Jünger gesprochen haben: „Herr, sag mir doch, wie ich richtig beten soll“. Diese Bitte ist ja schon ein Gebet. Ein einfaches, aber grundlegendes Gebet. Wenn dir gar nichts mehr einfällt, dann kannst du immer noch aus der Not eine Tugend machen, indem du Jesus bittest, er soll dich beten lehren. Diese einfache „Methode“ kannst du immer schaffen, egal wie schlecht du drauf bist.
Und man kann dieses kurze Gebet wiederholen. Es sinkt dann immer tiefer ein.

In der Stille der Nacht...

Noch etwas Zweites: Wenn selbst Jesus zu seinem intensiven Gebet eine entsprechende Umgebung und Atmosphäre gebraucht hat, wie viel mehr erst wir. Gewiss, du kannst wohl kaum eine Nacht allein auf einem abgelegenen Berg verbringen. Aber du kannst dir zumindest einen ruhigen Platz suchen, wo du nicht abgelenkt wirst. In der Stille der Nacht konnte Jesus gut beten, bei uns ist es nicht anders. Ich denke, wir entwickeln viel zu wenig Kreativität und Phantasie, um die geeigneten Orte und Zeiten für das Gebet zu finden. Jesus hat es uns vorgemacht. Wir können ihn nicht imitieren. Aber von seiner Kreativität, von seiner Initiative können wir lernen.

Wir haben noch gar nicht von der Antwort gesprochen, die Jesus seinen Jüngern auf ihre Bitte gibt. Seine Antwort: er lehrt sie das Vaterunser. Darüber möchte ich das nächste Mal sprechen.

Bis dahin wünsche ich euch einen nicht ganz so verregneten Spätsommer, und grüße euch recht herzlich,

euer Karl Neumann

P.S. Ich freue mich über jede E-Mail, die ich von euch erhalte.