10. Glaubensbrief - März 2007   PDF-Zeichen als PDF-Datei (104 kB)

Wie kann Gott das zulassen?

 

Die bohrende Frage

„Die Hauptsache ist, ich bin gesund und es geht mir gut“ hörte ich neulich einen Mann sagen. Ich glaube, so denken die meisten. Was wünscht man sich für das Neue Jahr? „Viel Glück und Gesundheit“. Und man betet vielleicht zu Gott, dass er uns gesund und glücklich erhält, dass uns kein Unglück zustößt. Und wenn dann doch ein Unglück kommt? Wenn du arbeitslos wirst, wenn deine Frau (dein Mann) krank wird? Wenn der Erfolg ausbleibt und alles schief geht? Dann sagst du: „Wie kann Gott das zulassen? Warum lässt er mich so leiden, gerade mich, der ich doch zu ihm gebetet habe!“ So fragst du vorwurfsvoll, und der „liebe Gott“ kann froh sein, wenn du nicht sagst: „An so einen Gott kann ich nicht mehr glauben“.

Fitness und Gesundheit
stehen hoch im Kurs
 

„Davon verstehst du nichts!“

Unzählige Menschen haben so zu Gott geschrieen, mit Gott gehadert, angefangen von Hiob im Alten Testament bis heute. Vielleicht wirst du nicht zufrieden sein mit der Antwort, die Gott dem Hiob (nach dem gleichnamigen Buch der Bibel) gibt. Ich sage es mal etwas salopp: „Halt den Mund“, sagt Gott. „Du mit deinem kleinen Menschenverstand kannst meine göttlichen Pläne nicht verstehen. Kannst du mir in die Karten der Weltregierung schauen?“ Hiob gibt sich damit zufrieden. Er vertraut Gott, dass er schon alles richtig macht. Und viele Christen heute machen es genauso. „Gottes Pläne sind unbegreiflich“ sagen sie. Aber ich kann verstehen, wenn du damit nicht zufrieden bist. Wenn du sagst: „Das ist doch keine Antwort. Wenn ein Chef, und wäre er der liebe Gott selber, sagt: Davon verstehst du nichts. Wenn er einfach auf seine Autorität und seine Überlegenheit pocht. Hat Gott keine bessere Antwort?“

„Geh mir aus den Augen, Satan!“

Er hat. Gott hat sein wahres Gesicht in Jesus Christus gezeigt. In seinem Schicksal hat er auf die bohrende Frage nach dem Leiden eine Antwort gegeben. Jesus erzählt seinen Jüngern zum ersten Mal, dass er leiden und sterben werde. Da ist Petrus entsetzt. Er nimmt den geliebten Meister beiseite und will ihm das ausreden. Da fährt Jesus herum und herrscht ihn an: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Markus 8,33). Petrus wird ganz schön geschaut haben, als Jesus ihn „Satan“ nannte. Er hatte für seinen Meister doch nur das Beste gewollt: ihm Leid und Tod ersparen. Aber das ist eine sehr irdische und diesseitige Sicht. Mit den Augen des Glaubens gesehen, sieht die Sache ganz anders aus. Da erkannte Jesus: Dass er leiden und sterben muss, ist der Wille des Vaters. Denn durch Leiden und Tod wird er die Welt erlösen.

Gott ist nicht mein Johann

Ich denke, im Fall Jesu sehen das die meisten Christen ein. Aber wenn Gott das, was er seinem geliebten Sohn zugemutet hat, auch uns zumutet, dann revoltieren wir. Es kommt darauf an, unseren Blick um 180 Grad zu wenden. Glück und Gesundheit und Wohlergehen sind keine Götzen, um die sich alles dreht. Gott ist nicht dazu da, um Unglück und Krankheit und Leiden von uns fern zu halten – eine himmlische Unfallversicherung sozusagen. Unser Gebet und unser Gutes-Tun kann Gott nicht manipulieren, dass er dann auch unseren Willen tut. Gott ist nicht dazu da, um unseren Willen zu tun; wir sind vielmehr dazu da, um seinen Willen zu tun. Gott ist nicht unser Johann, der springen muss, wenn wir pfeifen, sonst lassen wir es ihn spüren. Es ist umgekehrt: wir sind seine Diener, er ist der Herr.

Eine Geschichte aus China

Was offenbart das Los: Glück oder Pech?
 Foto: PixelQuelle.de

Und wäre es denn gut, wenn er uns Leid und Unglück ersparen würde? Viele sind durch Leiden reif geworden, viele sind durch Unglück gewachsen. Was gut scheint, entpuppt sich oft als schlecht für uns; was schlecht scheint, als gut. Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Bauern, der ein Pferd für die Feldarbeit hatte. Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, und als alle Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten, antwortete der Bauer: „Pech? Glück? Wer weiß?“ Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. Seine Antwort war: „Glück? Pech? Wer weiß?“ Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, fiel er vom Rücken des Pferdes und brach sich ein Bein. Jeder hielt das für ein großes Pech. Nicht jedoch der Bauer, der nur sagte: „Pech? Glück? Wer weiß?“ Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnten. Als sie den Bauernsohn mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. War das nun Glück? Pech? Wer weiß? (nach A. de Mello).

Gott ist die Sonne, um die sich alles dreht

Wenn schon in alltäglichen Dingen das, was schlecht scheint, in Wirklichkeit gut sein kann, wie viel mehr so, wenn wir es mit dem Blick des Glaubens betrachten. Dann ist klar: unser höchstes Ziel ist nicht Gesundheit und Wohlergehen. Sondern, wie es im kleinen Katechismus stand: Gott zu lieben, ihm zu dienen und so unser ewiges Heil zu erlangen. Noch einfacher gesagt: unser höchstes Ziel ist Gott. Er ist die Sonne, um die sich alles dreht; er ist der Absolute, dem gegenüber alles andere relativ ist. Hilft es uns zu diesem Ziel, ist es gut; hindert es uns daran, ist es schlecht für uns. Ohne diese konsequent christliche Sicht wird das Problem des Leidens nie zu lösen sein.

Gewiss weiß ich, dass auch damit noch nicht alle Fragen beantwortet sind. Aber zumindest ist hier die Richtung gezeigt, wie man sein eigenes Leiden positiv sehen und tragen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist wiederum Jesus. Als er am Vorabend seines Todes sein schreckliches Leiden voraussah, betete er: „Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch (des Leidens) an mir vorübergehen“. Aber dann fügte er in grenzenlosem Vertrauen hinzu: „Doch nicht mein Wille geschehe, sondern der deine“ (Matthäus 26,39).

In diesen Wochen vor Ostern steht das Leiden Christi vor unseren Augen. Ich wünsche dir, dass du sein Leiden mit den Augen des Glaubens anschaust und darin den positiven Sinn deines (kleinen oder großen) Leidens erkennst.

Euer Karl Neumann